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Hinweis: Der nachfolgende Text erschien zunächst auf Infosperber.ch, einer Online-Zeitung aus der Schweiz. Auch Der-Demokratieblog bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum und unterstützt deshalb die Vielfalt alternativer Medien! Die Rechtschreibung dieses Artikels richtet sich nach der schweizerischen Schreibweise.

Höchste Zeit, die (vermutete) Übersterblichkeit zu untersuchen

Zwei renommierte Epidemiologen fordern eine Ursachensuche. Andernfalls würden die Spekulationen wohl weitergehen.

30. August 2022

von Martina Frei

Carl Heneghan und Tom Jefferson sind zwei weltweit bekannte Epidemiologen. Heneghan leitet das «Centre for Evidenced-Based Medicine» in Oxford, Jefferson ist der Epidemiologe, der mithalf, die Skandale um den Schweinegrippe-Impfstoff Pandemrix und das Grippemittel Tamiflu aufzudecken. (Infosperber berichtete). 

Nun haben sich beide auf einer Website namens «Trust the Evidence» – auf deutsch etwa «Vertraue den Beweisen» – zu Wort gemeldet. In den letzten drei Monaten sei die Anzahl der Todesfälle in England und Wales die meiste Zeit überdurchschnittlich hoch gewesen, schreiben die zwei Wissenschaftler. Das gelte für zwölf der letzten 14 Wochen. 

In dieser Zeit starben dort 17’233 Personen mehr als im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019 und 2021. 4’716 dieser Menschen seien gemäss der offiziellen Statistik an Covid-19 gestorben. 

Seit der 17. Kalenderwoche, also der letzten Aprilwoche 2022, seien die Sterbezahlen merklich höher als in jedem der letzten sieben Jahre – ein Zeichen, dass irgendetwas nicht stimme.

Grafik Todesfälle in England und Wales
In dieser Grafik werden die Todesfälle im Jahresverlauf dargestellt. Ganz oben beginnt das Jahr mit Woche 1, von dort wird die Linie im Uhrzeigersinn weitergeführt. Eine starke Zunahme an Todesfällen ist im Frühling 2020 (rote Linie) zu erkennen. Die schwarz gepunktete Linie zeigt die bisherige Anzahl der Todesfälle im Jahr 2022. Mit Ausnahme des Jahres 2020 ist sie im Vergleich zu den Vorjahren seit einiger Zeit höher. © Trust the Evidence

Mehr als nur eine zufällige Schwankung

Bei einem substanziellen Anstieg an Todesfällen, der den Anschein erwecke, dass er mehr als nur eine zufällige Schwankung sei, «sollten wir die möglichen Gründe prüfen», finden Heneghan und Jefferson. Diesen Punkt habe man jetzt wohl erreicht – doch von offizieller Seite werde nichts unternommen, um eine Untersuchung zu veranlassen. Damit stelle sich die Frage, warum diese Daten überhaupt gesammelt würden. So würden die Spekulationen über die möglichen Gründe für die Übersterblichkeit wohl weitergehen, folgern Heneghan und Jefferson.

Auch die Schweiz verzeichnet laut dem Bundesamt für Statistik bei den Personen ab 65 Jahren eine Übersterblichkeit:

Grafik Todesfälle Schweiz
Die roten Linien in dieser Grafik des Bundesamts für Statistik zeigen die Zeitabschnitte, in denen die Todesfälle in der Schweiz den erwarteten Wert überstiegen oder unterschritten. Der graue Bereich markiert die erwartete Bandbreite. © Bundesamt für Statistik

Für Europa meldet «Euromomo» Ähnliches:

Grafik Euromomo
Auch in Europa überschreitet die Anzahl der Todesfälle bei Senioren über weite Zeitabschnitte den sonst üblichen Bereich. Die oberste Grafik zeigt die Todesfälle im Zeitverlauf bei den 65- bis 74-Jährigen. Wenn die blaue Linie die rote, gestrichelte Linie übersteigt, gilt dies als Übersterblichkeit. © Euromomo

Auf die Frage nach den Gründen und was man dagegen unternehme, verweist das BAG an das Bundesamt für Statistik. Dieses wiederum weist darauf hin, dass es dafür zuständig sei, grundlegende Daten zur Verfügung zu stellen, nicht aber Studien zur Kausalität zu initiieren.

Die Spekulationen über die möglichen Ursachen sind zahlreich: Covid-bedingte, aber nicht erfasste Todesfälle, indirekte Folgen der Pandemiemassnahmen, Impfschäden, hitzebedingte Todesfälle, falsche Berechnung der Übersterblichkeit, überfordertes Gesundheitswesen… Es könnten auch mehrere Gründe zugleich in Frage kommen, die sich zudem im Zeitverlauf verändern könnten.

Derweil hat der französische Staatspräsident Emmanuel Macron die Pandemie nun für beendet erklärt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Dr. Martina Frei

hat in Freiburg und München Medizin studiert. Acht Jahre lang arbeitete sie als Ärztin in Deutschland und der Schweiz. Später wechselte Frei auf die Ringier-Journalistenschule und arbeitet derzeit als Wissenschafts-Journalistin. Martina Frei ist die Autorin der Bücher „Das Mädchen mit den zwei Blutgruppen: Unglaubliche Fallgeschichten aus der Medizin“ sowie „Die Frau mit den 48 1/2 Krankheiten: Neue unglaubliche Fallgeschichten aus der Medizin“.

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