G20 – Der Gipfel der Frechheit

Über Superreiche, Staatsmacht und Dekadenz

10. Juli 2017

von Elmar Widder

Über die Dekadenz der elitären Politikerklasse im Jahr 2017

George Orwell beschreibt in seiner allegorischen Novelle „Animal Farm“ metaphorisch und detailliert, wie diejenigen, die die Macht erobern und diese dann inne haben, sich Stück für Stück von anderen Tieren wegbewegen. Klar, wir Menschen sind keine Tiere und leben auch nicht auf der „Animal Farm“ – nichtsdestotrotz sind wir aber die Bevölkerung Deutschlands und leben innerhalb der Staatsgrenzen unseres Landes.

Der Wille der Herrscherin

Und so kam es, wie es kommen musste: Die Bundeskanzlerin lud die Mächtigen dieser Welt zum G20-Stelldichein in Hamburg. Ein Gipfel, den viele Einwohner Hamburgs so sicherlich nicht wollten und ein Gipfel, bei dem im Vorfeld schon feststand, dass er keine signifikanten Lösungen hervorbringen wird. Wer mehr über die G20-Staaten erfahren will, der möge hier klicken (Quelle: Bundesregierung). Die Bundeskanzlerin begründete ihre Entscheidung, den Gipfel trotzdem in Hamburg abzuhalten, damit, dass man doch nicht zulassen könne, bestimmte Dinge an „bestimmten Stellen überhaupt nicht mehr machen“ zu können. (Quelle: ARD Mediathek, Minute 00:02:24). Nun Frau Bundeskanzlerin, laden Sie Ihren Ehemann doch einfach mal am Sonntag Nachmittag zum netten Picknick in den Görlitzer Park ein. Aber Vorsicht, da könnte noch Spritzbesteck auf dem schönen Grün liegen, während Sie die Decke aufschlagen – und vielleicht bietet man Ihnen ja sogar noch das ein oder andere „Leckerli“ an. Sie werden also feststellen, dass man sich in Deutschland an bestimmten Orten sowieso nicht mehr unbeschwert aufhalten kann. Das ist aber übrigens schon länger so – vielleicht haben Sie es auf Grund Ihrer vielen Termine einfach noch nicht wahrgenommen.

Den Dialog suchen… Ja – aber bitte mit allen

Es sei ja insbesondere der Dialog, den man mit all den mächtigen Vertretern dieser „auserwählten“ 20 Länder suchen müsse. Und deshalb bringen alle noch ihren Tross mit? Reichen da nicht 20 bis 30 Vertreter jeder Delegation aus? …und warum sucht man nicht den Dialog mit Herrn Assad in Syrien, um Frieden zu schließen? Oder mit den Taliban in Afghanistan? Oder warum reden wir nicht einfach mal mit den Vertretern der kaputt gesparten Polizei, oder dem Pflegepersonal, mit Handwerkern, Mini-Jobbern, Lehrern, dem Wissenschafts-Prekariat und den Schülern, die von G9 in G8 umfunktioniert wurden und deren jüngere Geschwister sich aber letztendlich doch wieder im G9 wiederfinden; und was ist mit den Schülern, die als zweitklassig abgestempelt werden, nur weil sie kein Abitur machen? Die sind nämlich genauso wichtig für unsere Gesellschaft.

Sie haben recht Herr Altmaier, Redebedarf gibt es genug, es stellt sich nur die Frage, mit wem man zuerst reden sollte. Und dann hörte man in dieser Anne Will Sendung auch noch Dinge wie wir „bräuchten eine Welt-Regierung“ – ja um Himmels Willen. Also ich brauche so eine Welt-Regierung sicherlich nicht – das nur mal schon vorab. Haben wir Bürger eigentlich noch irgendetwas mitzuentscheiden oder sind wir wirklich nur noch die Arbeitsmasse, die alles finanzieren und dann möglichst schnell ins Grab fallen soll – am besten mit so wenig Rentenjahren wie möglich? Geht die Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland wirklich noch vom Volke aus, so wie das in Artikel 20 des Grundgesetzes eigentlich vorgesehen ist?

Ach so, es geht um globale Probleme, die man selbstverständlich auch nur global lösen kann. Aber warum kommen dann nur Vertreter aus 20 Ländern? Die Vereinten Nationen zählen doch 193 Staaten (mehr Informationen hier). Und in Bezug auf den Klimaschutz: Warum versuchen wir, die Bundesrepublik Deutschland, nicht erst selbst unsere eigenen Vorgaben zu erfüllen? Wir bekommen es im Hinblick auf den Klimaschutz doch selbst nicht gebacken und wollen anderen Ländern gute Ratschläge geben.  Zitat:

„Die deutsche Methode besteht eher darin, die große Bedeutung des Klimaschutzes zu betonen, um ihn zu ignorieren, wenn es darauf ankommt: beim Atomausstieg, in der Verkehrspolitik, im Wohnungsbau. Alle zehn Jahre, ganz grob geschätzt, braucht Deutschland ein neues Klimaziel – damit nicht auffällt, dass das jeweils letzte nach jahrelanger Vernachlässigung unerreichbar geworden ist.“ (Quelle: Die Zeit).

Die Kosten

Was den Mächtigen dieser Welt aber auf jeden Fall präsentiert werden musste, war die Elbphilharmonie, die rund 789 Millionen Euro gekostet hat (Quelle: Unsere Elphi). Natürlich könnte man argumentieren, dass wir uns das leisten können, weil wir ja ein reiches Industrieland sind. Aber viele andere Dinge können und wollen wir uns aber eben nicht mehr leisten! Zum Beispiel Pflegepersonal, gut ausgestattete Schulen und Kindergärten, Polizeibeamte, spätere Renten für die jetzigen „Buckler“. Und das schlimmste ist: Wir wählen immer wieder den gleichen Einheitsbrei? Selbst schuld… Die Kosten des G20-Gipfels werden übrigens auf 130 Millionen Euro geschätzt. Das war ja ein regelrechtes Schnäppchen, das bezahlen wir ganz locker lässig aus der Portokasse… (Quelle: Hamburger Abendblatt). Letzte Frage: Wann wird jetzt eigentlich dieser Flughafen in Berlin fertig?

Warnungen und Analysen des BKA ignoriert

Der Hamburger Polizeibeamte Jan Reinecke, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, äußerte bei Anne Will: „Die Aufgaben, die uns gestellt worden sind, waren einfach nicht machbar“, was auch im Vorfeld schon absehbar gewesen wäre (Quelle: ARD Mediathek, Minute 00:02:50). Analysen und Lagebilder des BKA wurden offensichtlich ignoriert. Für die Sicherheitsbehörden stand von Anfang an fest, dass diese Masse an Gewalttätern, die Hamburg aufsuchen würde, von den Sicherheitsbehörden nur schwer in den Griff zu bekommen sei. Die in kleinen Gruppen agierenden Täter hätten nicht nur das Feindbild der Polizei, sondern sie wären auch dazu bereit, das Eigentum (Autos, Geschäfte, Glasscheiben etc.) der Anwohner zu zerstören. Trotzdem hielt man – entgegen dieser Analysen – an dem Ort Hamburg fest. Politiker können die Sachlage nämlich viel besser einschätzen als Polizeibeamte, oder?

Wer waren diese Krawallmacher?

Was man im Nachgang über den G20 noch alles erfuhr, ist sowieso erschreckend. Nehmen Sie sich einfach die Zeit und sehen Sie sich die neueste Ausgabe von KenFM (Me, Myself And Media) mit dem Titel „History statt Hysterie“ an. Sie werden danach zumindest einige Dinge Ihres eigenen Denkverhaltens in Frage stellen. Die Armut dieser Welt und die stetig anwachsande soziale Ungleichheit innerhalb unserer Gesellschaft sind der Nährboden für Gewalt, Kriege und Vandalismus. Die Eskalationsbereitschaft hat sich bereits auf den gesamten Raum der Europäischen Union ausgedehnt, oder warum sind auch Autonome aus Italien, Frankreich und Griechenland angereist? Eine weitere Kernfrage ist auch, wer sich alles unter diesen Vermummten befand. Mittlerweile ist klar, dass sich Gewalttäter aus den verschiedensten Lagern und Gruppierungen darunter befanden – und leider waren auch staatliche Agents Provocateurs anwesend. Auch so mancher Polizeibeamter hat geprügelt, da kam also viel zusammen… Trotzdem gab es selbstverständlich auch viele friedliche Szenen, bei denen sich Demonstranten und Polizei vorbildlich verhielten.

Gleichheit?

Laut Aussagen von Jan Reinicke gab es bei diesem G20-Gipfel für die Sicherheitskräfte zwei Prioritäten: Die Erste galt den Teilnehmern des Gipfels und die Zweite den Bürgern und Bürgerinnen der Stadt Hamburg. Teile der Stadt erlitten einen regelrechten Kontrollverlust (Quelle: ARD Mediathek, Minute 00:05:58).  Wenn jeder Mensch vor dem Gesetz gleich sein soll, dann darf es aber weder eine normative, noch eine praktische Unterscheidung zwischen der Schutzbedürftigkeit von Menschen geben. Wenn Gipfelteilnehmer eine andere Schutzpriorität als die „normalen“ Bürger haben, dann sollten wir unser Grundgesetz ändern. Und wenn wir etwas von unseren französischen Nachbarn lernen wollen, dann sollten wir uns jetzt einmal die Frage stellen, wie frei, wie gleich und wie brüderlich wir im Jahr 2017 überhaupt noch sind – ganz im Zeichen der Parole der französischen Revolution liberté, egalité und fraternitéMan erwartet von uns, der Zivilbevölkerung immer brüderlichen Rückhalt für die Politik und wir sollen auch als Gesellschaft gut zusammenhalten. Aber wenn es um die Schutzbedürftigkeit geht, dann sind Staatsmänner und –frauen wichtiger als die Zivilbevölkerung? Ich sage Ihnen, dass wir so NIE eine Brüderlichkeit erlangen werden. Ohne Gleichheit entsteht auch keine Brüder- und Schwesterlichkeit. Sprich, solange ihr „da oben“ seid und wir „da unten“, wird das mit der Brüderlichkeit sicherlich nichts – oder wie man in Bayern sagen würde: goa nix…

Roosevelt, Wirtschaftsbosse und Klassenspaltung

Vor ca. 81 Jahren berichtete der ehemalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt in einer Rede im Madison Square Garden den Menschen Folgendes (ich zitiere hier eine häufig verwendete deutsche Übersetzung):

„Wir kämpfen gegen die Hochfinanz- und die Wirtschaftsbosse, die gewissenlosen Spekulanten, gegen Klassenspaltung, den Partikularismus und gegen die Kriegsprofiteure. Sie alle haben sich daran gewöhnt, die amerikanische Regierung als Anhängsel ihrer Geschäfte zu betrachten. Wir wissen nun, vom organisierten Geld regiert zu werden, ist genauso gefährlich, wie von der Mafia regiert zu werden.“

Originaltext siehe unten (Quelle: YouTube)

“[…] We had to struggle with the old enemies of peace—business and financial monopoly, speculation, reckless banking, class antagonism, sectionalism, war profiteering. They had begun to consider the Government of the United States as a mere appendage to their own affairs. We know now that Government by organized money is just as dangerous as Government by organized mob. […]“

Roosevelt sagte weiterhin, dass sich diese Kräfte noch nie in der Geschichte gemeinschaftlich so gegen einen Kandidaten gestellt hätten, als sie es 1936 gegen ihn selbst taten (wenn der wüsste, was da heute los ist). Diese Kräfte waren also in ihrem Hass gegen ihn vereint – und Roosevelt begrüßte ihren Hass.

„Never before in all our history have these forces been so united against one candidate as they stand today. They are unanimous in their hate for me—and I welcome their hatred.“

Wir als Anhängsel der Geschäftemacherei

Nun, ich fürchte Deutschland ist auch längst zu solch einem Anhängsel geworden. Sehen Sie nun am Ende dieses Artikels die Impressionen des G20-Gipfels in Hamburg, akustisch hinterlegt mit Beethovens 9. Sinfonie (auch bekannt als „Europahymne“) –  eine tolle Zusammenfassung der extrem konträren Bilder auf RT Deutsch. Tauchen Sie ab in die unterschiedlichen Welten, die so dicht nebeneinander koexistieren. Ich zumindest bin froh, dass ich letztes Wochenende nicht in Hamburg sein musste.

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1 Antwort
  1. Sarah sagte:

    Der Autor hat recht: Wir sind keine Tiere, die wie zum Beispiel die fleißigen Bienen den Honig – oder doch das Bruttosozialprodukt – produzieren und der Bienenkönigin gehorchen und sie beschützen.

    Wir sind Menschen und Staatsbürger mit dem Recht, eine eigene Meinung zu äußern. Aber leider, im Gegensatz zu Tieren, sind wir auch mit der Eigenschaft ausgestattet, Gewalt zu organisieren und das Ergebnis hat man letztendlich in Hamburg gesehen. Die Bilder haben nicht bei wenigen Menschen das Gefühl von einem Bürgerkriegsszenario ausgelöst – dennoch darf man auch nicht vergessen, dass westliche Regierungen noch viel schlimmere Szenarien in Syrien und in Afghanistan verursachen oder es zulassen, dass im Jemen und im Irak Bomben fallen.

    Man kann das Ereignis in Hamburg aus verschieden Perspektiven analysieren – soziologisch, psychologisch, politisch und historisch. Aber ich möchte lieber die Idee einer Lebensauffassung teilen:

    Ein alter Geschichtsprofessor hat seine Studenten gefragt: „Was denken Sie, warum Kriege geführt werden?“ Bevor die Klasse zu polemisieren anfing, hatte er gleich die Antwort parat. „Weil die Menschen es zu Hause nicht aushalten. Der Kriegsgedanke entsteht nämlich nicht an einem strategischen Tisch – sondern zunächst im Schlafzimmer. Und wenn sich die Idee ins Wohnzimmer, dann in die Küche verbreitet und die Haustürschwelle überschreitet, ist die Katastrophe vorprogrammiert. Wenn Sie mit ihrem Partner, Ihrer Familie und Ihren Nachbarn friedlich zusammenleben, dann tragen Sie mehr dem Weltfrieden bei, als Sie denken.“

    Wünschen wir nicht nur den Gewalttätern, sondern auch den Politikern, die über Frieden mitentscheiden, ein friedvolles zu Hause und eine friedvolle Beziehung zu ihren Nachbarn, auch wenn sie ab und zu gegensätzliche Meinungen äußern.

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