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Hinweis: Der nachfolgende Text erschien zunächst auf Infosperber.ch, einer Online-Zeitung aus der Schweiz. Auch Der-Demokratieblog bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum und unterstützt deshalb die Vielfalt alternativer Medien! Die Rechtschreibung dieses Artikels richtet sich nach der schweizerischen Schreibweise.

Der Stärkere soll nachgeben und ein Friedensangebot machen!

Europa schaut dem Grauen empört zu, anstatt zu versuchen, den Krieg mit einem zumutbaren Angebot zu beenden.

8. März 2022

von Urs P. Gasche

Die Ukraine wird zermalmt

Britischer Ex-General Richard Barrons, NZZaS 6.3.2022

Die Folgen des Krieges sind Tote, Verletzte, Vertriebene, zerstörte Lebenswerke, auseinandergerissene soziale Lebensgemeinschaften, kaputte Infrastrukturen und Wohnhäuser, Elend und jahrelange Rachegefühle.  Doch niemand stoppt diesen fürchterlichen Krieg. Das Zuschauen ist nicht zum Aushalten.  Noch so viele Hilfs- und Waffenlieferungen an die Ukraine und selbst die drastischen Sanktionen stoppen weder die russische Armee noch bewahren sie die Bevölkerung vor unermesslichem Leid.  Die Nato kann die Russen nicht militärisch stoppen, weder am Boden noch im Luftraum. Zu gefährlich wäre eine direkte Konfrontation mit Russland. Für die ukrainische Bevölkerung ist dies eine Katastrophe. Treffen und Telefonate mit Präsident Putin erwecken den Eindruck, westliche Politiker täten für den Frieden das Menschenmögliche. Doch diese Gespräche führen zu nichts, weil die Nato die Forderung Putins nach einer NATO-freien Ukraine noch immer zurückweist. Maximalforderungen stehen Maximalforderungen gegenüber.

Einen ernsthaften Versuch unternehmen

Mit einem Entgegenkommen an Russland könnten die USA, Europa und die Ukraine einen ernsthaften Versuch unternehmen, um den Krieg sofort zu beenden. Es läge dann an Putin, ebenfalls von seinen Maximalforderungen zurückzutreten. Als die weitaus stärkere Seite kann der Westen einen wichtigen Schritt entgegenkommen, ohne die Sicherheit Europas und der Ukraine zu gefährden: Die Ukraine soll ein neutrales Land werden, das weder einem Bündnis angehört noch schwere Waffen auf seinem Territorium duldet. Ein solches Angebot an Russland, verbunden mit einem sofortigen Waffenstillstand, wäre längst fällig. Ob es den Krieg beenden würde, ist nicht sicher. Aber Putin sähe eine wichtige Forderung erfüllt und könnte sein Gesicht wahren.  Kein Land hat ein Recht, der NATO beizutreten. Denn dem Beitritt eines Staates müssen sämtliche NATO-Staaten zustimmen. Die NATO müsste jetzt einen Beitritt der Ukraine ausschliessen. Das ist keine unzumutbare Konzession, wenn es darum geht, die Not und das Elend dieses Krieges zu stoppen. Im Gegenteil: Es ist lediglich der Verzicht auf einen Wunsch der Ukraine, der in absehbarer Zeit ohnehin nicht durchgesetzt werden kann. Vielleicht hätte Putin vor Lancierung seines Angriffskriegs eingelenkt, falls die europäischen NATO-Partner nicht ständig und stur daran festgehalten hätten, dass die Ukraine wie jedes andere Land das Recht habe, dem Militärbündnis beizutreten. Aber diese Chance wurde vertan. Jetzt geht es um den Versuch, den Krieg zu beenden und weiteren verheerenden Schaden zu vermeiden. «Der Stärkere gibt nach», lernt man bereits als Kind. Die Angst vor einem Gesichts-und Prestigeverlust darf niemals ein Grund sein, um zu versuchen, einen Krieg zu beenden. Einem Gegner muss ermöglicht werden, sein Gesicht zu wahren. Ob Putin einlenken würde, bleibt natürlich offen. Der grossen Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung wäre ein Friede unter Bedingung der Neutralität heute sicher lieber, als zuzusehen, wie ihr Land zerstört wird und unter russischen Einfluss gerät.  Eine neutrale Ukraine kann eine westliche Gesellschaftsform wählen. Das Schicksal der Krim und des Donbass kann mit überwachten Abstimmungen über verschiedene Zukunftsvarianten demokratisch gelöst werden.

Der Westen muss dem Grauen nicht alternativlos zuschauen

Der Versuch einer Einigung ist ein Gebot der Stunde. Denn die unmittelbaren und längerfristigen Folgen des Krieges sind masslos. Der ukrainischen Bevölkerung, die Bomben ausgesetzt ist und in Massen flüchtet, wird ein enormes Mitgefühl entgegengebracht. Doch noch so offene Grenzen und eine noch so grosse Hilfsbereitschaft für Millionen von Flüchtenden können diesen Krieg und die Zerstörung der Ukraine nicht stoppen.  Putin in die Ecke eines Dämonen und Psychopathen zu stellen, stoppt den Krieg nicht, sondern verstärkt den falschen Eindruck, der Westen sei dazu verdammt, dem Fortgang des Krieges tatenlos zuzusehen. Das Ausmass des Elends führen die Medien täglich vor Augen. Es ist kaum zu ertragen, dass die westlichen Regierungen angeblich alternativlos nur zuschauen. Auch rational ist es nicht nachzuvollziehen, dass das Angebot einer neutralen, westlich orientierten Ukraine ein zu hoher Preis sein soll. Natürlich müsste Putin einlenken. Aber damit er einlenken kann, muss das Angebot zuerst auf den Tisch. Die Ukraine erhielte eine Chance, von weiteren Folgen dieses Krieges verschont zu bleiben. Und die Menschheit erhielte die Chance, vor unabsehbaren Kollateralschäden eines anhaltenden Krieges bewahrt zu werden.

Wenn der Westen kein Angebot macht und Putin nicht einlenkt Katastrophen für unzählige Menschen:

  • Mehrere tausend Tote und noch mehr Verletzte.
  • Millionen von Flüchtlingen und getrennte Familien.
  • Die Infrastruktur eines riesigen Landes wird zerstört.
  • Ukrainische Grossstädte riskieren eine Zerbombung und Zerstörung wie im tschetschenischen Grosny, im syrischen Aleppo oder im irakischen Mossul.

Unkontrollierbare Risiken:

Klimakrise Statt alle Kräfte und genügend Ressourcen für Massnahmen gegen die bedrohliche Klimakrise zu bündeln, werden Abermilliarden für Krieg, Zerstörung und Wiederaufbau verwendet. Stark gestiegene Weizenpreise  Sie können in Nordafrika zu Hunger, Aufständen und noch mehr Flüchtlingen führen. Nordafrika bezieht über die Hälfte des Getreidebedarfs aus Russland und der Ukraine (Quelle: Syngenta). Stark gestiegene Heizöl- Gas- und Benzinpreise  Sie können in den USA zu Wahlverlusten der Demokraten führen, so dass Präsident Biden ein Lame Duck wird. In Europa können Öl, Gas und Benzin die Inflation so stark anheizen, dass einige Länder politisch ins Wanken kommen. Das krisenanfällige Finanzsystem Die Notenbanken FED und EZB können sich zu Zinserhöhungen gezwungen sehen. Das treibt einige Länder und einige Finanzinstitute in den Ruin – mit unabsehbaren politischen und sozialen Folgen. Aufrüstung Statt über Abrüstungen zu verhandeln rüstet Westeuropa gewaltig auf – zur Freude des Militärisch-Industriellen-Komplexes in den USA und in Europa.

Alle diese unkontrollierbaren Risiken müssen einen Versuch wert sein, Russland das Angebot einer neutralen, von schweren Waffen befreiten Ukraine zu machen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Urs P. Gasche

ist Redakteur der Online-Zeitung Infosperber.ch. Der Infosperber konkurriert nicht mit großen Medienportalen, er ergänzt sie. Die Plattform hat sich als Ziel gesetzt, allein nach gesellschaftlicher oder politischer Relevanz zu gewichten. Der Infosperber sieht, was andere übersehen.

 

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