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Hinweis: Der nachfolgende Text erschien zunächst auf Infosperber.ch, einer Online-Zeitung aus der Schweiz. Auch Der-Demokratieblog bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum und unterstützt deshalb die Vielfalt alternativer Medien! Die Rechtschreibung dieses Artikels richtet sich nach der schweizerischen Schreibweise.

Die Reichsten schaden dem Klima am meisten

Geld killt Klima: Ein Zehntel der Weltbevölkerung verursacht die Hälfte der Klimabelastung. Das zeigt ein Oxfam-Report.

07. Januar 2021

von Daniela Gschweng

In den klimapolitisch wichtigen Jahren zwischen 1990 und 2015 verursachte das weltweit reichste Prozent der Weltbevölkerung 15 Prozent der Klimagasemissionen – doppelt so viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Menschheit. Diese Zahlen stammen aus einem Bericht, den die britische Entwicklungsorganisation «Oxfam» und das «Stockholm Environment Institute» (SEI) aus Finanz- und Klimadaten zusammengestellt und im September 2020 publiziert haben. Die Untersuchung deckt 117 Länder und etwa 90 Prozent der Weltbevölkerung ab.

Geld killt Klima

Mehr als die Hälfte klimaaktiver Emissionen (52 Prozent) an CO2, Methan und Lachgas während des untersuchten Zeitraums gingen auf das wohlhabendste Zehntel der Weltbevölkerung zurück, stellt der Bericht fest.

Das dürfte auch 2020 noch so sein, denn an den Verhältnissen in der Klimahierarchie hat sich während dieser Zeit wenig geändert. Produzierten die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung 1990 genau die Hälfte der weltweiten Klimagase, war ihr Anteil 2015 mit 49 Prozent der Emissionen kaum kleiner.

Am unteren Ende der Einkommensskala sieht es ähnlich aus. Diese Entwicklung haben die Wissenschaftler in einer Grafik dargestellt, die sie «Champagner-Glas-Grafik» nennen:

Das «Champagner-Glas» zeigt den Anteil der globalen Treibhausgas-Emissionen für jede Wohlstandsgruppe. (Oxfam, SEI).

Zwischen 1990 und 2015 nahmen die Klimaemissionen weltweit um 60 Prozent zu. Das Cüpli wurde grösser und zwar am oberen Ende. Die Zunahme war beim reichsten Prozent der Menschheit dreimal so gross wie bei der ärmeren Hälfte der Menschheit. Die in der Benennung von Visualisierungen einfallsreichen Autoren fassen das in einem «Dinosaurier-Diagramm» zusammen.

Grundsätzlich ist diese Verteilung nachvollziehbar: Wer viel besitzt, konsumiert viel und verursacht damit mehr Treibhausgase. Wer wenig Geld hat, kauft nur das Notwendigste, ist wenig mobil und beansprucht wenig Raum. Mindestens die dem wohlhabendsten Zehntel folgenden 40 Prozent der Menschheit sind aber weder arm noch eingeschränkt.

Die Wohlhabenden leben auf zu grossem Fuss

Betrachtet man die CO2-Emissionen, die die Menschheit noch ausstossen darf, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, als CO2-Budget, das uns noch bleibt, geben die Reichsten davon den grössten Teil aus, rechnet «Oxfam» vor.

Die meiste «Carbon-Währung» wird für die kohlenstoffgetriebene Mobilität der Wohlhabenden ausgegeben. Einen grossen Anteil daran haben die wachsende Beliebtheit von SUV und häufige Flugreisen.

Das CO2-Budget der Durchschnittsbevölkerung schrumpft immer weiter

Dieser Überkonsum ist nicht nur ungerecht, er schränkt den Handlungsspielraum aller anderen zunehmend ein. Anstrengungen, den eigenen CO2-Fussabdruck zu verringern, fallen beim Durchschnittsmenschen weniger ins Gewicht, auch dann, wenn viele Menschen sich darum bemühen.

Sogar in wohlhabenden Ländern fliegen die meisten Menschen beispielsweise nur wenig, einige wenige aber oft und auch weit. Für Klimaorganisationen, grüne Parteien und einige Bürgerräte ist das eines der Argumente dafür, warum politische Massnahmen wie etwa eine Vielfliegersteuer nötig und sinnvoll sind.

Der «Dinosaurier» zeigt es anschaulich: Von 1990 bis 2015 nahmen die Treibhausgasemissionen um 60 Prozent zu. Verursacht wurde der Zuwachs grösstenteils von dem Reichsten. (Oxfam, SEI)

«Der bestmögliche, moralisch vertretbare Weg [zur Bewältigung der Klimakrise] besteht darin, dass die ganze Menschheit ein anständiges Leben führt. [Das Kohlenstoffbudget] ist von den Reichen aber bereits aufgebraucht worden, indem sie noch reicher geworden sind», verdeutlicht Tim Gore, der Hauptautor der Studie, gegenüber dem «Guardian».

Diese «Klima-Ungleichheit» haben schon vor «Oxfam» bereits andere festgestellt, so etwa der Ökonom Thomas Piketty. Der Teil der Menschheit, der zur Klimakrise am wenigsten beigetragen hat, bekommt die Folgen dazu am heftigsten zu spüren und ist am wenigsten davor geschützt. Wegen Naturkatastrophen wie Stürmen, Überschwemmungen und Bränden müssen heute schon dreimal mehr Menschen ihren Wohnort verlassen als wegen bewaffneter Konflikte.

630 Millionen Menschen haben mehr Einfluss auf das Klima als der Rest der Erdbevölkerung

Umgekehrt bedeuten die Zahlen von «Oxfam» aber auch, dass ein kleiner Teil der Weltbevölkerung das Klima spürbar verändern kann. Um das Champagnerglas wenigstens in eine Sektflöte zu verwandeln oder dafür zu sorgen, dass das Glas für die gesamte Menschheit halbvoll ist, müssten die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung bis 2030 auf 90 Prozent ihrer «Klima-Ausgaben» verzichten, rechnet «Oxfam» vor. Etwa 630 Millionen Menschen haben damit mehr Einfluss auf das Klima als der gesamte Rest der Menschheit.



Daniela Gschweng

ist freie Journalistin und schreibt mitunter für den Infosperber, die TagesWoche und die Badische Zeitung.

 

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