Politikum Puigdemont

…es könnte peinlich werden, Deutschland!

27. März 2018

von Dr. Elmar Widder

Nachdem die spanische Justiz letzte Woche fünf weitere Unabhängigkeitsbefürworter verhaften ließ, brachte die Festnahme des ehemaligen katalonischen Präsidenten Puigdemont letzten Sonntag das politische Fass endgültig zum Überlaufen. Glückwunsch Deutschland: Nun also auch noch ein politisch Gefangener…

Bereits letzten Freitag, am 23.03.2017, erließ der Oberste Gerichtshof Spaniens einen erneuten Haftbefehl gegen Puigdemont, während sich dieser auf einer Konferenz in Finnland befand. Nachdem die belgische Justiz den ersten Europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont 2017 ausgesetzt hatte, hinterließ die Ausstellung des zweiten Haftbefehls letzten Freitag den Eindruck einer Falle, um Puigdemont bewusst in einem anderen EU-Land festnehmen zu lassen. Seit Monaten zielt die harte Linie der spanischen Justiz darauf ab, die demokratischen Massenbewegungen in Katalonien zu unterbinden und durch harte Strafen zu zerschlagen. Doch wie statthaft ist dieser zweite Haftbefehl?

Was ist ein Europäischer Haftbefehl?

„Der Europäische Haftbefehl ist ein vereinfachtes grenzüberschreitendes justizielles Verfahren für die Übergabe gesuchter Personen zur Strafverfolgung oder Vollstreckung einer Freiheitsstrafe […]“ (e-justice.europa.eu). Er wird seit 2004 in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verwendet.

Technische Details zum EU-Haftbefehlbeschluss und dessen Umsetzung ins deutsche Recht

Der Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl (RbEuHb) ist gemäß Artikel 288 AEUV ein verbindlicher Rechtsakt, der in nationales Recht umgesetzt werden muss. Die Bundesrepublik Deutschland hatte den Haftbefehl-Rahmenbeschluss 2004 in das Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) hineingeflickt, um so ihrer Umsetzungsverpflichtung nachzukommen. Allerdings wurde diese Umsetzung bereits am 18.07.2005 in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes für nichtig erklärt (2 BvR 2236/04) und das Spiel begann erneut. 

Zweite deutsche Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses ebenfalls zweifelhaft

Auch die zweite Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses verlief mehr als zweifelhaft, weil der Gesetzgeber den erforderlichen Wechsel des Haftbefehlsverfahrens auf eine rein justizielle Ebene nicht vollzogen hat. Der Haftbefehl-Rahmenbeschluss wird in Deutschland noch immer in einem zweistufigen Verfahren durchgeführt: Zunächst prüft die Exekutive (Generalstaatsanwaltschaft) die Zulässigkeit des Haftbefehls, danach prüft ein Oberlandesgericht (Judikative) die Entscheidung. Diese Struktur verstößt gegen die Konzeption des EU-Rahmenbeschlusses, der eine direkte Abwicklung des Verfahrens zwischen Justizbehörden vorsieht. Eine Mitwirkung der Exekutive ist in keinster Weise vorgesehen, deshalb könnte es sogar sein – gesetzt den Fall Puigdemonts Anwälte klagen – dass das Bundesverfassungsgericht auch die zweite deutsche Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses für nichtig erklärt. Zudem ist die Schutzfunktion deutscher Staatsangehöriger in § 80 IRG problematisch, weil sie innerhalb der europäischen Union eine klare Diskriminierung gegenüber anderen EU-Bürgern darstellt. Artikel 18 des AEUV ist diesbezüglich einschlägig:

Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. […]

Das Bundesverfassungsgericht erwähnte diese Art von Einschränkung bereits in dem Urteil aus 2005 – allerdings nur in Bezug auf die Frage, ob der EU-Rahmenbeschluss zu einer substantiellen Entwertung der deutschen Staatsangehörigkeit und somit einer „Entstaatlichung“ führe. Damals war das EU-Vertragssystem noch anders aufgebaut (sog. Säulensystem). Ob diese Einschränkung des Auslieferungsschutzes heute allerdings auch noch hinnehmbar wäre, ist zumindest zweifelhaft.

Wegen der bereichsspezifischen Begrenzung des europäischen Diskriminierungsverbots aus Gründen der mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeit lässt sich insoweit für die Auslieferung Deutscher an andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine nach den Vorgaben des Grundgesetzes unzulässige Entstaatlichung nicht feststellen. […] es handelt sich bei der Einschränkung des Auslieferungsschutzes auch nicht um den Verzicht auf eine bereits für sich genommen essentielle Staatsaufgabe. (2 BvR 2236/04, Rn. 75)

Wollte der Senat des Bundesverfassungsgerichtes damit sagen, dass das EU-Diskriminierungsverbot bei einer Auslieferung nicht angewendet werden soll? Richterin Lübbe-Wolff bemängelte dies zurecht, wenn sie damals von einer „Aussendung dunkler Signale“ an den Europäischen Gerichtshof sprach (2 BvR 2236/04, Sondervotum Rn. 159).

Beiderseitige bzw. gegenseitige Strafbarkeit und andere Auslieferungsgründe

Gibt es überhaupt eine Rechtsgrundlage, um Carles Puigdemont auszuliefern? Nun, man kann aufgrund eines EU-Haftbefehls ausliefern, obwohl eine  Straftat nicht in beiden Ländern strafbar ist, d.h. in gewissen Fällen ist eine gegenseitige Strafbarkeit nicht mehr erforderlich. Jedoch fallen Rebellion und die Veruntreuung von öffentlichen Geldern nicht unter die Kategorie dieser 32 aufgelisteten Delikte. Genau aus diesem Grund wurde der erste Haftbefehl in Belgien abgelehnt.

Was bliebe, wäre der Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit. Hier kommt es darauf an, ob die zugrunde liegenden Straftaten auch nach deutschem Recht strafbar wären (§ 81 IRG). Viele bringen den spanischen Straftatbestand der Rebellion mit unserem Tatbestand des Hochverrats in Verbindung. Die Herstellung einer solchen Analogie ist jedoch problematisch, weil sowohl die Rebellion in Spanien als auch der Hochverrat in Deutschland das Tatbestandsmerkmal der Gewalt implizieren. Carles Puigdemont hatte aber nie zur Gewalt aufgerufen. 

Es scheint also, dass das Delikt der Veruntreuung öffentlicher Gelder eine entscheidende Rolle spielen könnte. Der Legal Tribute Online berichtete hierzu Folgendes:

Spanien wirft Puigdemont auch eine Unterschlagung öffentlicher Gelder vor, die er durch die Durchführung des vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Referendums herbeigeführt haben soll. Die vorsätzliche unzulässige Ausgabe öffentlicher Mittel wäre in Deutschland möglicherweise als Unterschlagung oder Untreue strafbar.

Entscheidung des OLG Schleswig anfechtbar?

Ja, Puigdemont könnte sich mit einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht wehren. Wenn seine Anwälte schon dabei sind, sollte man – ganz nebenbei – die Frage der Diskriminierung, die in § 80 IRG zu finden ist, anbringen. Vielleicht kommt das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss, dass die zweite Umsetzung des EU-Haftbefehlbeschlusses ebenfalls nichtig war. Für Carles Puigdemont wäre dies das Ende seines unfreiwilligen Aufenthaltes in Deutschland. Für die Bundesregierung wäre es einfach nur peinlich…

2 Kommentare
    • Elmar Dr. Widder sagte:

      Danke Ingo, wünsche ich dir natürlich auch und es freut mich, dass es wenigstens ein paar Menschen interessiert! Erhol dich gut, wir wissen ja alle, wie viel es noch zu tun gibt. Apropos, die Gastkolumne steht politisch interessierten Menschen offen. Solltest du dir also mal deinen Frust von der Seele schreiben wollen, dann würden wir uns freuen.

      Frohe Ostern!
      Elmar

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