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Krieg im Jemen – eine humanitäre Katastrophe

Fliehende Menschen, Wasser- und Nahrungsmangel, Cholera

20.06.2018

von Elmar Widder

Während Fussball-Fans derzeit gespannt auf die Bildschirme blicken, fachsimpeln und Spiele analysieren, ereignet sich im Mittleren Osten eine weitere humanitäre Katastrophe von schier unvorstellbarem Ausmaß. Fast parallel zum WM-Auftaktspiel Russland gegen Saudi-Arabien, startete die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition Angriffe auf den Jemen. Nachdem die UN-Vollversammlung erst kürzlich auf die Vorfälle am Grenzzaun in Ost-Jerusalem reagiert hatte, ist nun also bereits die nächste menschliche Katastrophe im Gange.

Rückblick

Die Republik Jemen liegt im Süden der arabischen Halbinsel und vereint seit 1990 die ehemalige Jemenitische Arabische Republik (Nordjemen) und die Demokratische Volksrepublik Jemen (Südjemen). Im Jemen leben sowohl Sunniten als auch Schiiten, darunter auch Zaiditen und Huthi. Die Republik wurde seit 1990 von Langzeitpräsident Ali Abdullah Saleh regiert, der zuvor Regierungschef im Nordjemen war. Saleh wurde 2011 bei Unruhen gestürzt. Neuer Präsident wurde 2012 Abed Rabbo Mansour Hadi. Als Huthi-Rebellen 2014 die Hauptstadt Sanaa einnahmen, floh Hadi ins Exil nach Saudi-Arabien. Zunächst erklärte Hadi seinen Rücktritt, den er später aber widerrief. Ex-Präsident Saleh wechselte die Seiten und unterstützte von nun an die Huthi. Ab 2015 wurde der Konflikt international. Saudi-Arabien gründete eine Militärkoalition, der unter anderem auch die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) angehören. Saudi-Arabien und die Verbündeten versuchen derzeit, die Hauptstadt Sannaa zurückzuerobern. Auf der Gegenseite befindet sich der Iran, dem nachgesagt wird, die Huthi-Rebellen zu unterstützen. Als Ex-Präsident Saleh 2017 erneut die Seiten wechselte und die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition unterstützte, wurde er getötet. Der Konflikt dauert bis heute an.

Der Angriff auf den Hafen al-Hudaida

Um die Hauptstadt Sanaa zurückzuerobern, startete die von Saudi-Arabien geführte Koalition letzte Woche schwere Angriffe auf den Hafen von al-Hudaida. Auch rückte man auf den örtlichen Flughafen vor. Al-Hudaida, die wichtigste Hafenstadt an der Westküste Jemens, ist ein strategisch wichtiger Punkt für die Versorgung des Landes. Von dort aus werden Waren und humanitäre Hilfslieferungen verteilt. Kontrolliert wird der Hafen derzeit von Huthi-Rebellen. Die Bombardements der Saudi-Arabischen Militärkoalition auf den Hafen von al-Hudaida hatten bereits verheerende Folgen auf die Zivilbevölkerung: Hilfsorganisationen schätzen, dass bereits 26.000 Menschen, was in etwa 5.200 Familien entspricht, aus al-Hudaida geflohen sind. Insgesamt leben rund 400.000 Menschen in al-Hudaida, darunter befinden sich auch viele Kinder.

Das Ausmaß des Konflikts

Im Jemen leben ca. 27 Millionen Menschen. Laut Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR wurden seit Beginn des Konflikts mehr als 10.000 Menschen getötet und ca. zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht. Eine traurige Bilanz. Außerdem starben mehr als 2.200 Menschen an Cholera. Die Vereinten Nationen bezeichnen die Situation im Jemen schon jetzt als die größte humanitäre Katastrophe der Gegenwart. Der UN-Sondergesandte Martin Griffiths warnte vor den Angriffen auf al-Hudaida, die für Millionen Menschen in dem ohnehin bitterarmen Land katastrophale Folgen haben könnten – es drohe eine Hungersnot.

USA widersprüchlich – UN machtlos

Obwohl die USA zunächst durch ihren Nahost-Vertreter David Satterfield verkünden ließen, man wolle eine humanitäre Krise im Jemen durch Angriffe auf Hudaida verhindern, scheint sich die US-Strategie bezüglich des Jemens geändert zu haben. Einem Bericht von ntv zufolge haben die USA ihre Elitetruppen „Green Berets“, Helikopter und Flugzeuge in das Konfliktgebiet entsandt, um Saudi-Arabiens Militärkoalition zu unterstützen. Bereits im März 2018 rief der UN-Sicherheitsrat dazu auf, den Hafen für die Versorgung der Zivilbevölkerung offen zu lassen. Eine am 14.06.2018 vom Vereinigten Königreich einberufene Sitzung im UN-Sicherheitsrat konnte die Angriffe nicht verhindern.

Russland fordert ein Ende der Kämpfe

Im April 2018 bot Russland dem im Exil lebenden Präsidenten Hadi eine Vermittlerrolle an. Der russische Sondergesandte Mikhail Bogdanov traf Präsident Hadi hierzu auf einem arabischen Gipfel in Dharan, Saudi-Arabien. Moskau warnte vor einer Verschlimmerung der Lage und forderte indes eine schnellstmögliche Beendigung der Kämpfe.

Geopolitik und Weltwirtschaft

Was man bei geostrategischen Analysen grundsätzlich nicht außer Acht lassen sollte, sind wirtschaftliche Auswirkungen von Konflikten. Konflikte wirken sich wirtschaftlich betrachtet immer positiv auf einen bestimmten Personenkreis aus, im Mittleren Osten würden sie den Ölpreis nach oben treiben und davon könnten insbesondere die USA profitieren. US-Unternehmen haben Milliardenbeträge in Fracking investiert und ein höherer Ölpreis würde Geld in die leeren US-Kassen spülen, wenn teures Öl aus Texas exportiert werden würde. America First. Aber sollten geopolitische Interessenkonflikte auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen werden?

Humanitäres Völkerrecht gilt für alle Beteiligten des Konflikts

Auch für diesen Konflikt gilt das humanitäre Völkerrecht und somit der Schutz der Zivilbevölkerung. Weder die Zivilbevölkerung als solche noch einzelne Zivilpersonen dürfen das Ziel von bewaffneten Angriffen sein. Auch ist die Anwendung oder Androhung von Gewalt mit dem  hauptsächlichen Ziel, Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten, verboten (Artikel 51 des I. Zusatzprotokolls der Genver Konventionen). Eine militärische Lösung im Jemen wird zwangsläufig zu einer humanitären Katastrophe führen. Deshalb wären alle Beteiligten gut beraten,  sich zurück an den Verhandlungstisch zu begeben.

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