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Waffenexporte für Jemen-Krieg

Bruch des Koalitionsvertrags?

28.09.2018

von Elmar Widder

Waffenverkäufe sind ein leidiges Thema. Besonders immer dann, wenn unsere Bundesregierung einen weiteren unmoralischen, gegen unser Wertesystem verstoßenden Export genehmigt hat. Moralisch verwerflich und wirtschaftlich dennoch notwendig – so lauten die Argumente einiger Politiker, die diesen Werteantagonismus oftmals nur mit leeren Phrasen überspielen können. Zum einen sei da die wirtschaftliche Komponente, die man nicht unterschätzen dürfe, weil die Produktion von Waffen Arbeitsplätze erhalte. Zum anderen kennen wir den berühmten Satz: „Wenn wir es nicht tun, machen es andere Staaten.“ Das sind wohl die abgedroschensten Argumente, die oftmals zur Thematik Waffenexporte angeführt werden.

Argument Arbeitsplätze

Dass das Argument mit den Arbeitsplätzen jedoch immer nur in eine Richtung gilt, sollte allen Beteiligten klar sein. Es gilt nämlich nur für westliche Ökonomien. Denn dort sichert die Produktion von Kriegsgerät zum Beispiel den Arbeitsplatz eines deutschen Vaters oder vielleicht den eines EU-Bürgers. Mit Entsetzen würde man jedoch reagieren, wenn Syriens Regierung Waffenexporte mit dem Argument begründen würde, man müsse Syriens Ökonomie fördern, indem man Waffen produziert. Die Gültigkeit von Werten ist also eine Einbahnstraße. Weite Teile unserer Gesellschaft akzeptieren diesen moralischen Irrweg jedoch und deshalb entsteht kaum öffentlicher Druck hinsichtlich der Herstellung und des Exports von Kriegsgerät. Schließlich werden ja nicht unsere, sondern die Töchter und Söhne anderer Familien – nämlich die im Nahen und Mittleren Osten – damit getötet. Der Westen ist und bleibt Weltmeister der Heuchelei!

Werte sind keine Einbahnstraße

Um konkreter zu werden, möchte ich an dieser Stelle den Konflikt im Jemen anführen, bei dem westliche Wirtschaftsinteressen einmal mehr den freiheitlich demokratischen Werten dieses gleichen Westens entgegenstehen. In Bayern bereitet man sich derzeit auf die Landtagswahl vor und nächstes Jahr folgt die Wahl des Europäischen Parlaments. Wie oft wurde sie in den letzten Wochen wieder zitiert: Die Würde des Menschen, die unantastbar scheint, sofern nicht wirtschaftliche Interessen dagegen sprechen. Genau diese Bigotterie jedoch, diese schier unerträgliche Doppelmoral vieler Politiker sowie die der Waffenlobby bewegt Menschen dazu, zu protestieren. Es ist das permanente links Blinken und rechts Abbiegen der Bundesregierung, das die Glaubwürdigkeit der politischen Kaste in den letzten 20 Jahren nahezu erodieren ließ – unterstützt durch einen Sozialabbau, der im Vergleich zu anderen EU-Ländern seinesgleichen sucht.

Die EU als Lösung?

Die Debatten einiger Sozialdemokraten wie z.B. Martin Schulz beinhalteten unlängst das Thema der Europäischen Union, ihre gemeinsamen Ziele und wie stark eine solche Union werden müsse, um sich langfristig im Verbund gegenüber anderen Volkswirtschaften zu behaupten. Vieles davon mag verständlich klingen, jedoch fehlt es dieser Europäischen Union an einem wichtigen, essentiellen Element, das der Sozialwissenschaftler Niklas Luhman als die „Überzeugung von der Richtigkeit der Werte“ beschrieb. Was der Europäischen Union und den Regierungen ihrer Mitgliedsländer fehlt, ist eine breite Anerkennung ihrer Entscheidungen in der Bevölkerung.

Glaubt ein Flaschen sammelnder Rentner an eine EU, die ihn vor Importen aus China schützen soll? Wie beurteilt ein junger spanischer Arbeitssuchender diese Europäische Union? Wie steht es um die künftigen Renten vieler Deutscher, die im Niedriglohnsektor tätig sind oder sich im Teufelskreis der Leiharbeit wiederfinden? Findet man in München bezahlbaren Wohnraum? Und was wurde aus dem Flughafen in Berlin (BER)? Es sind die Herausforderungen des täglichen Lebens, die einem dieses technokratische Brüssel so weit weg erscheinen lassen.

Völlige Entfremdung

Die völlige Entfremdung der politischen Elite von ihrem Volk wird immer dann erkennbar, wenn die alltäglichen Probleme der Bevölkerung kein Gehör mehr finden. Man benötigt bezahlbaren Wohnraum in München, doch die Landesregierung verkauft die staatliche Wohnungsgesellschaft GBW und verliert so ca. 33.000 Wohnungen. Die Rente reicht vielen Menschen nicht aus, um ihren Lebensunterhalt im Alter zu bestreiten und eine der ersten Handlungen des Deutschen Bundestages nach der Wahl ist eine Erhöhung der Diäten. Die Situation erinnert an ein Zitat der aus dem Hause Habsburg stammenden französischen Königin Marie Antoinette kurz vor der französischen Revolution: Als man Marie Antoinette aufgrund der im Volk herrschenden Armut und Hungersnot darauf ansprach, was man denn tun könne, war ihre Antwort: „Wenn sie (die Menschen) kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.“ Doch was, wenn weder Brot noch Kuchen verfügbar sind oder wie man im Jahr 2018 sagen würde: Was, wenn kein Wohnraum zur Verfügung steht, die Rente nicht ausreicht und wir nicht wissen, wer unsere Eltern und uns pflegen wird?

Koalitionsvertrag

Letzte Woche genehmigte die Bundesregierung Waffenexporte an drei arabische Länder, die unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind – ein weiteres Beispiel völliger Entfremdung der großen Koalition von freiheitlich demokratischen Werten. Obwohl der Koalitionsvertrag (Seite 149) eine restriktive Rüstungsexportpolitik festlegt, handelte die Bundesregierung ein weiteres Mal dem Inhalt des Vertrages gegenüber konträr. Der Koalitionsvertrag legt eindeutig fest, dass die Bundesregierung ab sofort keine Waffenausfuhren mehr an Länder genehmigt, „solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.“

Und dennoch lieferte man vier Aufklärungsradarsysteme für Artilleriegeschütze an Saudi-Arabien während die Vereinigten Arabischen Emirate 48 Gefechtsköpfe sowie 91 Zielsuchköpfe für Flugabwehrsysteme auf Kriegsschiffen erhielten. Zu guter Letzt waren da noch die 385 tragbaren Panzerabwehrwaffen, die nach Jordanien gingen.

Es ist diese Entfremdung der Politik von grundlegenden Werten, die der Bevölkerung den letzten Glauben an die Politik nimmt. Doch die Rechnung wird folgen: Die angeblich christlichen Parteien werden bei den anstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen, ebenso wie die Sozialdemokraten, mit einem Rückgang der Wählerschaft rechnen müssen. Ein Unterschied wäre da allerdings noch anzumerken, nämlich der, dass den Sozialdemokraten unmittelbar der Abstieg in die Zweitklassigkeit bevorsteht, wenn sie – zumindest in Bayern – von den Grünen und der AfD auf die Plätze verwiesen werden.

Auszug aus dem Koalitionsvertrag vom 12.03.2018:

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