Der nachfolgende Artikel wurde am 11.04.2018 auf der Facebook-Seite von publica veröffentlicht. Publica erlaubte uns die Weiterveröffentlichung ihres Artikels, deshalb erscheint dieser Beitrag jetzt auch auf dem Demokratieblog. Wir danken Herrn Könitz und dem Bauingenieur für ihre Aufklärungsarbeit und teilen die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung bezüglich des vermeintlichen Giftgasangriffs in Syrien (Ost-Ghouta, Duma). Denkt nach, glaubt Ihr, dass eine Gasflasche, die durch die Decke eines Wohnhauses eindringt, beim Aufprall nahezu unbeschädigt bleibt? Das ist zumindest das Narrativ einer gewissen deutschen Zeitung…

Zweifel an Giftgasangriff in Syrien, unabhängige Untersuchung gefordert

11. April 2018

von Johann Koenitz

Das BILD-Magazin berichtete unter Berufung auf „lokale Aktivisten“ am 09.04.2018 [Q1] von einem mutmaßlichen Giftgasangriff in der syrischen Stadt Duma. Die Luftwaffe eines mutmaßlichen NATO-Verbündeten hat bereits mit ersten Bombardements in Syrien begonnen [Q2]. Die USA nahmen aufgrund des Vorfalls an einer Sitzung im UN-Sicherheitsrat teil [Q3], entsendeten gleichzeitig aber schon einen zusätzlichen Zerstörer in das Mittelmeer [Q4]. Russland droht den USA im Falle eines Eingreifens mit Vergeltung [Q5], die Lage wird im Moment immer brenzliger. Einem Bauingenieur aus unserem Unterstützerkreis kamen bei der Lektüre des BILD-Artikels allerdings ernstzunehmende Zweifel über die Korrektheit des durch BILD beschriebenen Hergangs: Kann eine Butan-Propan-Gasflasche eine Stahlbetondecke unbeschadet durchschlagen?

Ein Bauingenieur und aktives Mitglied der Partei die Linke schreibt am 09.04.2018 [Q6]: „Wir wissen nicht, was in Syrien passiert. Wann erfahren wir die Wahrheit, wann werden wir belogen. Jedenfalls versuchen die Kriegshetzer von BILD uns zu erklären, dass eine Gasbombe zunächst ein ca. zwei mal vier Meter Loch in eine Betondecke gerissen hat, um anschließend dekorativ ohne Lackkratzer vollfunktionsfähig in einem Bett zu landen, um dort Giftgas zu versprühen. Jetzt verstehe ich nichts von Propaganda wie die bei BILD, aber ich verstehe einiges von Stahlbeton und Stahl, denn das habe ich studiert. Und demnach scheitert man an der Physik, wenn man versucht, einen relativ dünnwandigen Behälter so mit Schmackes durch eine Stahlbetonplatte zu krachen, dass die Stahlbetonplatte anschließend kaputt und der Behälter noch ganz ist, abgesehen davon, dass sich eine Bombe entscheiden muss, ob sie eine nach westlichen Standards ethisch unbedenkliche Luftmine, also ein Sprengkörper oder eine verwerfliche unmenschliche Giftgasbombe ist.“

Diesen kritischen Kommentar haben wir zum Artikel des BILD-Redakteurs Julian Röpke hinzugefügt. Innerhalb von 24h hat dieser Kommentar bereits über 32.500 Menschen auf Facebook erreicht, wurde 186 mal geliked und 461 mal geteilt. Mit diesem Artikel möchten wir nun also etwas mehr Klarheit in die Argumentation unseres Unterstützers bringen und das uns zur Verfügung stehende Material nachvollziehbar auswerten.

Wer berichtet von dem Vorfall?

Am 08.04.2018 um 14:21 postete „1BilalAbuSalah“ auf Twitter ein Video [Q7], auf dem er in einem beschädigten Schlafzimmer steht. Das Video beginnt mit einem Schwenk von einem Loch in einer Stahlbeton oder Stahlsteindecke mit Schutthaufen auf dem Boden, zum ca. 1,5m entfernten intakten Doppelbett. Herr Salah steht vor dem Bett, auf dem eine vermeintliche Gasbombe liegt. Die mutmaßliche Gasbombe ist mit einem weißlichen Staub bedeckt und Zeigt an mehreren Stellen Wischspuren auf, die auf Berührungen hinweisen. Er selbst trägt eine militärische Atemschutzmaske chinesischer Machart (Typ MF11 bzw. FMJ05), wie sie auch von der irakischen Armee verwendet wird. Seine Hände und der Rest seines Gesichtes sind unbedeckt. Salah behauptet, dass ein gelbliches Gas aus der Gasbombe austreten würde und zeigt im Video ein angerostetes standardmäßiges Auslassventil, bei dem kein Austritt von Gasen zu erkennen ist und auf dem sogar noch vormals besagter weißer Staub ruht.

Salah nutzte seinen Twitter-Account in der Vergangenheit, um zu unterschiedlichen Anlässen (u.a. aus Ost-Ghouta) zu berichten. Die Berichterstattung erfolgte dabei stets am Ort des Geschehens oder sogar während des Geschehens und ausschließlich in der Folge von mutmaßlichen Angriffen der Syrischen Armee. Mehrfach findet man dabei Photos von Aktionen, der mit islamistischen Kampfverbänden in Verbindung stehenden „White Helmets“. Unter anderem findet sich dabei ein Video, dass den angeblichen Einsatz von „Phosphor-Raketen“ zeigen soll, wenn gleich die gezeigten Sprengmittel augenscheinlich wie Feuerwerkskörper anmuten. Aufgrund der einseitigen Berichterstattung in dem Gebiet liegt für uns die Vermutung nahe, dass Herr Salah zu einer Propagandaeinheit der in dem Gebiet um Duma operierenden sog. „Jaish al-Islam“ gehört. Erst am Montag einigte sich die militante islamistische Organisation mit Russland auf die Konditionen eines geschützten Abzuges aus der Region [Q8].

Kann Chlorgas von der Gasflasche aufgenommen werden?

Bei der gezeigten gelben Gasflasche handelt es sich augenscheinlich um eine alte handelsübliche Butan-Propan- oder Acetylgasflasche mit einer Füllmenge von 33 kg bzw. 79 Liter [Q9]. An der Gasflasche wurde ein Metallgestell mit Flugstabilisatoren angebracht. Das Gestell ist augenscheinlich sehr locker montiert und zum Teil verbogen. Es gleicht auffallend einer Konstruktion, die laut Twitter-Nutzer Elliot Higgins bereits beim Chlorin-Angriff in Khan Al-Assal im August 2017 verwendet wurde. Nach Angaben Salahs, handelt es sich um ein Chlorgas, was mit der Beschreibung des gelblichen Gas-Austrittes zusammenpassen würde. Würde es sich um das Nervengas Sarin handeln, würde der Berichterstatter bereits im Video unter großen Schmerzen leiden, denn Sarin tritt auch über die ungeschützte Haut ein, während Chlorgas hauptsächlich durch die Atemwege Verletzungen verursacht (bei der Berührung mit Wasser/Feuchtigkeit in der Lunge fällt bei Chlorgas Salzsäure aus) [Q10]. Unter einem Druck von ca. 5,7 Bar und einer Temperatur von 20°C wird Chlorgas flüssig (311 Liter Chlorgas ergeben ca. 1kg Flüssiggas) [Q11]. Gasflaschen wie die gezeigte, bestehen in der Regel aus einem Stahlblech mit einer Wandungsstärke von ca. 3 – 4 mm. Sie haben ein Leergewicht von ca. 35,5 kg und wiegen gefüllt um die 70 kg. Der maximal aufnehmbare Druck beträgt 30 Bar und ein handelsübliches Auslassventil kann durchschnittlich 0,6kg Füllstoff pro Stunde über einen Zeitraum von mehreren Stunden bzw. 3kg/h kurzzeitig abgeben, danach kommt es in der Regel zur Vereisung am Ventil der Flasche und dem enthaltenen Gas, wodurch der weitere Gasaustritt behindert wird. Eine Gasflasche der 33kg-Klasse könnte also ca. 10.263 Liter Chlorgas in flüssigem Zustand aufnehmen, wobei das Austreten über ein voll-aufgedrehtes Standardventil aufgrund der Vereisungserscheinungen begrenzt ist. Freigesetzes Chlorgas ist in etwa 2,5 mal schwerer als Luft und sinkt daher zu Boden, kann durch hektische Bewegungen aber z.B. auch aufgewirbelt werden.

Kann diese Gasflasche eine Stahlbetondecke durchdringen?

Um diese Frage näherungsweise zu klären, können relativ einfache physikalische Berechnungen angestellt werden. Die relevanten Rechnungen sind die folgenden:

  • t1 – Freifallzeit (Zeit bis zum Aufprall): t1= √(2*h/g)
  • v1 – Aufprallgeschwindigkeit: v1= g*√(2*h/g)
  • p – Aufprallimpuls (Durchstoßdruck): p= m*g*√(2*h/g)
  • t2 – Aufprallzeit (Zeit bis v1=v0): ca. 0,1 bis 1 Sekunde (genaueres ist versuchsweise zu ermitteln und hängt von unberechenbaren Faktoren ab!)

Auch die Flughöhe ist derzeit unbekannt. Wir nahmen deshalb 2 typische Flughöhen an:

  • h1= 300m (gepanzerter Helikopter im Kampfanflug)
  • h2= 600m (un-/leicht gepanzerter Helikopter bei „Fassabwurf“)

Angenommen wurde weiterhin eine volle Gasflasche (70kg), eine 25cm starke Stahlbetondecke (Wohnbau) mit einer Festigkeit von ca. 22 kN/m² inkl. Sicherheiten und ein waagerechtes auftreffen mit der Längsseite. Die Überschlagsrechnungen haben ergeben, dass die Flasche bei beiden Abwurfhöhen durchaus genug Energie besitzen kann, um eine solche Decke zu durchdringen oder zumindest zu beschädigen. Klar ist aber auch: Dieser mögliche Durchbruch kann nicht ohne empfindliche Deformationen der Gasflasche selbst geschehen. Das dargestellte Szenario einer unbeschädigten Gasflasche mit intaktem Auslassventil ist dieser Rechnung zu Folge nicht wahrscheinlich. Auch bei einer ebenfalls möglichen „Stahlsteindecke“ ist ein Durchdringen sehr wahrscheinlich mit empfindlichen Deformationen an der Gasflasche verbunden. Untenstehendes Bild zeigt die Gasflaschen, die angeblich bei Khan Al-Assal 2017 in ein Feld eingeschlagen sein sollen, einem wesentlich weicheren Aufschlagboden.

Weiterhin ist es äußerst unwahrscheinlich, dass eine Gasflasche wie die dargestellte sich von der mutmaßlichen Durchbruchstelle ca. 2m auf das Bett neben der Durchbruchstelle bewegt – die verbleibende Impulsenergie beträgt nach einem Durchstoß mit Deformation der Flasche p=0. Die Wischspuren am Staub auf der Gasflasche im Video könnten auf eine Manipulation der Lage der Gasflasche hinweisen. Die Tatsache, dass das Auslassventil im Video komplett mit Staub bedeckt ist zeigt weiterhin, dass kein Gas nach der Landung durch das Ventil ausgetreten sein kann – anders also als von Herrn Salah behauptet.

Eine unabhängige Untersuchung ist dringend notwendig!

Die Frage nach dem möglichen Motiv der syrischen Streitkräfte für einen Giftgasangriff auf die eigene Bevölkerung und auf ein Kampfgebiet, dass sich bereits im Übergabeprozess an die syrischen Streitkräfte befand, muss gestellt werden. Ebenso muss die Frage gestellt werden, ob auch die islamistischen Kräfte ein Motiv für das Nachstellen eines solchen Angriffes haben können. Beide Fragen können hier nicht abschließend von uns beantwortet werden. Wir fordern daher eine unabhängige Untersuchungskommission der UN, die Beweismittel sichert, Radar- und Funkaufzeichnungen auswertet, verletzte untersucht und vorgebliche Todesopfer exhumiert, um deren Todesursachen festzustellen.

Eine kriegerische Eskalation, wie sie durch die USA, Frankreich und weitere verbündete Staaten in der Region gefordert und derzeit vorbereitet wird, ist in keinem Fall zu rechtfertigen und verstößt unserer Ansicht nach gegen das geltende Völkerrecht. Die Tatsache, dass bereits Bombardements in der Region durchgeführt wurden zeigt auf, dass die NATO-Staaten eine gefährliche Ausweitung des Konfliktes zumindest in Kauf nehmen. Immerhin befinden sich bereits 23 Nationen und zusätzlich Söldnergruppen aus der ganzen Welt [Q12] mit bewaffneten Kräften und ohne UN Mandat in der Region.

Wir tragen unsere Zweifel am Hergang noch heute bei der Friedenskonferenz der “Gemeinschaft für Menschenrechte im Freistaat Sachsen e.V.” in Dresden vor. Die Organisation ist Mitglied im FORUM MENSCHENRECHTE und hat somit Stimmrecht im UN Menschenrechtsrat. Die Veranstaltung beginnt heute 19 Uhr im “Haus an der Kreuzkirche 6”, 01067 Dresden, Mauersberger Saal – sie steht jedem offen.

Was kann ich jetzt tun?

Da einige Nutzer*innen auf unserer Facebookseite bereits mit öffentlichen Gewalttaten drohten oder zumindest damit kokettierten, möchten wir nun noch Anregungen dazu geben, was der einzelne Mensch jetzt tun kann, um zur friedlichen Lösung des schwelenden Konfliktes beizutragen:

  • Schreiben oder rufen Sie ihre Bundestags- und Europaabgeordneten an und unterstützen Sie unseren Aufruf für eine unabhängige Untersuchungskommission
  • Sie können sich an Vertreter*innen der internationalen Friedensbewegung wenden um Demonstrationen und Aktionen für den Frieden zu unterstützen. Kirchen, Synagogen, Moscheen und verschiedene NGO´s wie attac oder Ärzte ohne Grenzen suchen immer nach Unterstützern.
  • Teilen Sie die Bedenken zur offiziellen Version des angeblichen Tathergangs mit so vielen Menschen in Ihrem Umfeld wie möglich. Eine öffentlichkeitswirksame „kritische Masse“ ist laut Forschung bei ca. 1/10 bzw. 10% der Bevölkerung erreicht, damit der „Schneeballeffekt“ einsetzen kann. Der Eingangskommentar wurde innerhalb von 24h 32.000 mal gesehen – wenn Sie aktiv mitwirken und z.B. Telefonketten aufbauen, dann können wir es schaffen mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.

Bitte bleiben Sie stets friedlich und bewegen Sie sich bitte bei all Ihren Aktionen im Rahmen des Grundgesetzes, insbesondere beachten Sie die ersten 20 Artikel. Gewalthandlungen können keinen Frieden bringen!

Quellen

Q1 – https://www.bild.de/politik/ausland/baschar-al-assad/mit-dieser-bombe-toetete-assad-55332714.bild.html

Q2 – https://www.neues-deutschland.de/artikel/1084857.luftschlag-gegen-syrische-militaerbasis.html

Q3 – https://www.zdf.de/nachrichten/heute/un-sicherheitsrat-tagt-zu-syrien-neue-attacke-in-homs-100.html

Q4 – https://www.wsj.com/articles/trump-weighs-response-to-suspected-syria-chemical-attack-1523290566?mod=searchresults&page=1&pos=1

Q5 – https://www.n-tv.de/politik/Russland-warnt-USA-vor-Eingreifen-in-Syrien-article20376213.html

Q6 – https://www.facebook.com/publica.global/posts/1656646601094486

Q7 – https://twitter.com/1BilalAbuSalah/status/982956657624911873

Q8 – http://worldwidenews.eu/2018/04/09/russia-agreed-with-the-leaders-of-the-islamists-about-their-withdrawal-from-the-duma/

Q9 – http://www.wpg-energie.de/fileadmin/user_upload/Fluessiggas/PDF__s/technische_daten_gasflaschen.pdf

Q10 – https://de.wikipedia.org/wiki/Chlor#Chlor_als_Giftgas_(Waffe)

Q11 – http://www.basigas.de/share/datenblaetter/basiaqua_datenblatt-Chlor_fluessig.pdf

Q12 – https://www.usatoday.com/story/news/world/2016/02/15/mind-boggling-stew-nations-fighting-syrias-civil-war/80406862/

Johann Koenitz

… wurde am 08.04.1990 in Dresden geboren. Seit 2009 ist er Aktivist der Occupy Wallstreet Bewegung und seit 2017 Mitglied des Vorstandsrates der Demokratieinitiative UnPartei e.V. Beruflich ist er selbstständig in der Architektur tätig. 2011 hat er gemeinsam mit verschiedenen Journalisten das Informationskollektiv „publica“ gegründet, das im Sinne von Demokratie und Aufklärung informiert und zur Debatte anregt.

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