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Hinweis: Der nachfolgende Text erschien zunächst auf Infosperber.ch, einer Online-Zeitung aus der Schweiz. Auch Der-Demokratieblog bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum und unterstützt deshalb die Vielfalt alternativer Medien! Die Rechtschreibung dieses Artikels richtet sich nach der schweizerischen Schreibweise.

90 Prozent neuer Energiequellen weltweit sind Erneuerbare

Der Zuwachs bei Wind- und Solarkraft übersteigt die Prognosen der internationalen Energie-Behörde IEA bei weitem.

03. Juni 2021

von Daniela Gschweng

«Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen», ein Bonmot, das wahlweise Karl Valentin, Mark Twain oder dem Physiker Nils Bohr zugeschrieben wird. Soll heissen: Nachher ist manchmal alles anders, als es Experten vorher ausgerechnet hatten. Ein Faktor fehlte, eine Entwicklung wurde übersehen.

Die Internationale Energieagentur IEA macht gerade die Erfahrung, wie es ist, wenn man sich auf der richtigen Seite irrt. Die Kapazitäten für Strom aus erneuerbaren Energien sind 2020 so sehr gewachsen, dass sie auch die höchsten Prognose-Rechnungen übertroffen haben, gab die Agentur in ihrem jüngsten Bericht bekannt.

Prognosen zum zweiten Mal in einem Jahr erhöht

Trotz Pandemie wuchs die Kapazität um 280 Gigawatt gegenüber dem Vorjahr. Die Nachfrage nach anderen Energiequellen nahm ab. Biokraftstoffe waren pandemiebedingt allerdings weniger nachgefragt. Die IEA erhöhte ihre Wachstumsprognosen für erneuerbare Energien vom November 2020 um 25 Prozent und gegenüber Mai 2020 um 40 Prozent.  

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Jährliches globales Wachstum der Wind- und Solarkapazität 2000-2025 in Gigawatt. Schwarz: tatsächliches Wachstum, blau: IEA Prognosen vom Mai 2020 (ganz unten), und November 2020 (durchschnittlich und optimistisch), rot: Mai 2021 bis Mai 2022. © Carbon Brief Alle Rechte vorbehalten

Der Zuwachs der Erneuerbaren von 45 Prozent gegenüber 2019 ist der grösste seit 1999. Von den im vergangenen Jahr insgesamt neu erstellten Energiequellen waren 90 Prozent erneuerbar, was vor allem auf Wind- und Solarkraft zurückzuführen ist. Solche extrem hohen Zuwächse könnte das «neue normal» werden, berichtet «Carbon Brief».

IEA rechnet mit anhaltendem Solar-Boom

Der Zubau an Windkraftanlagen hat sich auf 114 GW weltweit fast verdoppelt. Den grössten Zuwachs in den nächsten Jahren sagt die IEA der Photovoltaik voraus. Der überwiegende Teil 2020 ist auf den rasanten Aufbau von Solarkraftwerken in China zurückzuführen. China ist in Folge auch das einzige Land, in dem sich das Wachstum im Solarbereich verlangsamen wird. Gleichzeitig ist das Land grösster Hersteller von Solartechnik und den dazu benötigten Rohstoffen. Die IEA sieht diese Konzentration auf längere Sicht denn auch als Risiko.

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Zuwachs (Increase) und Abnahme (Decrease) erneuerbarer Energieträger 2019 bis 2020 nach Land und Energiequelle. © IEA Alle Rechte vorbehalten

Andere Länder werden die Normalisierung in China auffangen. Der Solarausbau in Europa hat dank günstiger Preise und guter Bedingungen zugenommen. Angeführt von Deutschland, Frankreich und den Niederlanden wird Europa damit zweitgrösster Markt für erneuerbare Energien. Die USA sind optimistisch, dass Steuervergünstigungen das Tempo steigern werden.

Plus 160 Gigawatt 2022

Nicht vergessen sollte man dabei, dass China zuletzt mehr Treibhausgase ausstiess, als alle entwickelten Länder zusammen, und Deutschland fast einen Viertel seines Energiemixes aus Braunkohle erzeugt. Die Schweiz steht mit einem hohen Anteil an Wasserkraft diesbezüglich besser da, hat aber ebenfalls Aufholbedarf. Der Knackpunkt dabei sind vor allem Heizungen, die mit fossilen Energieträgern laufen. Auch bei der Sonnenenergie ist Luft nach oben, eine Folge von zu vielen Regulierungen, sagt ein Solar-Unternehmer im Gespräch mit «Watson». In Indien, das zuletzt wenig Zuwachs im Solarbereich verzeichnen konnte, erwartet die IEA wiederkehrendes Wachstum. Die Prognosen sind wegen des in den letzten Wochen starken Anstiegs der Covid-19-Fälle im Land aber noch unsicher. Insgesamt wird das Wachstum der Solarkapazitäten 2022 160 Gigawatt oder mehr betragen und der Energiezuwachs aus Windkraft 80 Gigawatt, sagt die Agentur voraus.


Zum Infosperber-Dossier:

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.
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Daniela Gschweng

ist freie Journalistin und schreibt mitunter für den Infosperber, die TagesWoche und die Badische Zeitung.

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