Mittelbayerische Zeitung (Neumarkter Tagblatt)

vom 11. September 2017

Das Volk soll an die Macht

von Eva Gaupp

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Volksabstimmungen auf Bundesebene

„Einer der Gründe, weshalb ich für den Bundestag kandidiere ist, dass ich mir Sorgen um den Artikel 20 unseres Grundgesetzes mache – da heißt es: ,Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus’ – und nicht von der Wirtschaft.“ Die enge Zusammenarbeit von Großkonzernen und Lobbyisten mit Bundespolitikern ist in den Augen von Dr. Elmar Widder nicht mehr hinnehmbar. Sie nähmen unmittelbar Einfluss auf die Politiker – damit gehe die Staatsgewalt des Volkes verloren, das Fundament der Demokratie. „Wir müssen die Menschen aufwecken!“ Jeder Bürger müsse sich wieder ein Stück weit politisch engagieren. Derzeit widmeten sich die meisten Menschen ihrer Arbeit und hofften, dass die anderen den Rest erledigen. Volksabstimmungen auf Bundesebene könnten dafür ein guter Weg sein. „Wenn wir das dem Volk nicht zutrauen – was ist dann mit Artikel 20?“

Einführung einer Mindestrente

„Die Rente wird ein riesen Problem für uns werden.“ Widder befürchtet, dass es künftig Menschen geben werde, die 40 Jahre lang gearbeitet haben und im Alter Pfandflaschen sammeln. Dabei bezieht er sich auf eine Studie der Bertelsmann Stiftung: Demnach ist rund jeder Fünfte der Arbeitnehmer, die heute Ende 40 sind, bei seinem Renteneintritt von Armut bedroht. Wie sollen sich Menschen aus dem Niedriglohnsektor eine private Zusatzrente leisten?, fragt der 39-Jährige. Deshalb müssten alle Erwerbstätigen für eine Grundrente in einen Rententopf einzahlen – Beamte, Angestellte und Selbstständige. „Dann ist auch ein Selbstständiger nicht von Armut bedroht, wenn er insolvent geht.“ In Österreich funktioniere das Modell gut.

Mehr soziale Gerechtigkeit

Die aktuelle Wirtschaft beschreibt der Bundestagskandidat mit „Raubtierkapitalismus“. Stattdessen fordert Dr. Elmar Widder Kooperation statt nur Konkurrenz, um Monopole und den Abbau von Arbeitsplätzen zu vermeiden. Durch die Digitalisierung fielen in den nächsten 30 Jahren sowieso zahlreiche Arbeitsplätze weg. Heute redeten die Vertreter großer Parteien gern von Vollbeschäftigung. Doch die Zukunft sehe anders aus. Deshalb müsse man auch über ein bedingungsloses Grundeinkommen diskutieren. „Ich sage nicht, dass es die Lösung ist, aber wir sollten darüber nachdenken.“

Gleichzeitig müsse wieder zu Preisen produziert werden, die Aufwand und Arbeitszeit abbilden, fordert er und nennt als Beispiel die Landwirtschaft. EU-Subventionen oder Preisdumping durch knallharte Konkurrenz müssten eingedämmt werden. „Kommt der Wohlstand bei denen an, die ihn erwirtschaften? Nein! Das könnte man Sklaverei 4.0 nennen.“

Ursachen der Flucht beheben

Beim Thema Flüchtlinge zählt der Völkerrechtler erst einmal die Fälle in der Geschichte auf, in denen sich Staaten wie die USA, Großbritannien oder Deutschland in die politischen Angelegenheiten anderer Länder eingemischt – und damit letztendlich radikalen Strömungen den Boden bereitet haben. Iran, Irak, Syrien, Kambodscha – seine Liste ist lang. „Warum verkaufen wir Waffen an Saudi-Arabien und Katar?“ In Syrien gehe es eigentlich darum, den Bau einer Gaspipeline vom persischen Golf über die Türkei nach Europa zu sichern, um nicht mehr vom Gas Russlands abhängig zu sein. Solche Stellvertreterkriege müssten aufhören, fordert Widder. „Wir kreieren uns unsere eigenen Probleme.“ Die Menschen müssten kritisch hinterfragen, wer welche Interessen vertrete. Mit ihrer Interventionspolitik stürzten westliche Staaten andere Länder in den menschlichen Ruin.

Einzelkämpfer mit Idealen

„Ich bin Realist, ich weiß, wie schwer es ist, gewählt zu werden. Aber ich möchte meine Themen in den Bundestag einbringen.“ Man könne nicht von heute auf morgen etwas verändern, aber ihm sei es wichtig, Denkanstöße zu geben. Es habe mehrere Schlüsselmomente in seinem Leben gegeben, sich politisch zu engagieren: unter anderem während seiner Arbeit bei der Staatsanwaltschaft am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und den Gerichten in Kambodscha, dem Rote-Khmer-Tribunal. „Ich kann nachts nicht schlafen, wenn ich nichts mache.“ Auch wenn er als Einzelner vielleicht nicht allzu viel bewegen könne, wolle er es dennoch versuchen. Er wolle sich später nicht vorwerfen lassen, die Hände in den Schoß gelegt zu haben. Da er sich nicht in einer etablierten Partei wiederfindet, ist er den „Unabhängigen für bürgernahe Demokratie“ beigetreten.

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