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US-Autor: Ungleichheit macht unglücklich

Der Menschheit geht es immer besser. Glücklicher wird sie dabei nicht. Das liegt an der wachsenden Ungleichheit.

09. September 2018

von Daniela Gschweng

Dass Geld allein nicht glücklich macht, ist eine alte Weisheit. Eine neue Weisheit lautet: So lange die Wirtschaft wächst, geht es den meisten und damit der Gesellschaft besser. Unwidersprochen ist dieses Credo der konservativen Ökonomen allerdings nicht. Die weltweit wachsende Ungleichheit, so sagen andere, reisse die Gesellschaft auseinander. Beides sei weder ganz falsch noch ganz richtig, schreibt der Autor und Brookings-Fellow Jonathan Rauch in einem Kommentar in der «New York Times».

Was Menschen garantiert nicht glücklicher macht, ist Neid auf die, denen es besser geht. In diesem Punkt sind sich vermutlich beide Lager einig. Magret Thatcher, eine der bekanntesten Verfechterinnen des Neoliberalismus, sagte dazu im britischen Parlament einen inzwischen berühmt gewordenen Satz. Auf die Kritik eines Abgeordneten an ihrer Politik erwiderte sie: «Das ehrenwerte Mitglied [des Parlaments] sagt, dass es ihm lieber wäre, wenn die Armen ärmer wären, vorausgesetzt, die Reichen wären weniger reich. …. Was für eine Politik!». Armut war für Thatcher durchaus ein Problem, fehlende Chancengleichheit auch, Ungleichheit aber nicht.

Geld macht nicht glücklich – sonst wären wir es

Für Jonathan Rauch, der sich intensiv mit der relativ neuen Disziplin der Glücks-Ökonomie beschäftigt, ist das höchstens die halbe Wahrheit. Seit dem Zweiten Weltkrieg sei der materielle Wohlstand in den USA und auch in anderen Ländern stark angestiegen. Der Anteil der Menschen, die sagen, dass sie sehr glücklich seien, sei jedoch leicht gesunken, führt er an und findet dafür zwei Gründe.

Glück sei zum einen eine lokale Grösse. Einem Arbeitslosen im Rust Belt, der aufgrund von wirtschaftlichen Verschiebungen seinen Job verloren habe, sei es auch kein Trost, dass sich Milliarden Chinesen in den letzten Jahrzehnten aus extremer Armut befreit hätten. Eher verschlechtere sich sein Wohlbefinden dadurch noch.

Geld macht doch glücklich – ausser die anderen haben mehr

Zum zweiten sei Glück relativ. Die Statistik bestätige das: Weisse US-Amerikaner sind laut einer Studie des Brookings-Instituts viel unglücklicher als schwarze, obwohl es ihnen absolut gesehen besser geht. Allerdings haben weniger gebildete Weisse weniger Wohlstand als ihre Eltern und auch als gebildetere Weisse. Bei der schwarzen US-Bevölkerung ist es genau umgekehrt. Sie konnte die soziale und wirtschaftliche Kluft mit den Jahren schliessen. Menschen könnten mit einem gewissen Mass an Ungleichheit gut leben, so lange sie das Gefühl haben, das System an sich sei fair und eröffne ihnen Chancen. Es ist also egal, ob der Nachbar das grössere Auto hat, sofern er für den gleichen Job nicht besser bezahlt wird.

Ungleichheit macht unglücklich und polarisiert

Mehr Wohlstand macht also zwar glücklicher, aber unglücklicher, wenn er bei anderen stärker steigt. Oder, wie es Rauch ausdrückt: Ungleichheit ist unbefriedigend, vor allem in bereits wohlhabenden Gesellschaften. Während ein steigendes Volkseinkommen in einem armen Land die Menschen glücklicher mache, habe sich in den USA das wachsende Einkommen vom Wohlbefinden abgekoppelt. Orte, an denen grössere Ungleichheit herrsche, ginge es dabei nachweislich schlechter, die Bevölkerung sei unglücklicher und politisch stärker polarisiert. Angesichts dessen sei es erstaunlich, dass eine Wirtschaftspolitik, wie Margaret Thatcher oder auch Ronald Reagan sie vertreten haben, so lange Bestand haben konnte.

Populismus ist auch keine Lösung

Nämlich bis zur weltweiten Finanzkrise 2008. Vor allem in den USA ging es vielen in deren Folge plötzlich viel schlechter. Ihr tatsächlicher oder wahrgenommener Status sank. Das System des steigenden Wohlstands hatte nicht gehalten, was es versprochen hatte. Damit, so sieht es Jonathan Rauch, habe der Aufstieg der Populisten begonnen. Sein vorläufiges Ende habe er vorerst in der Wahl von Donald Trump gefunden. Ihren Teil dazu beigetragen hätten auch Social Media, die einen ständigen Vergleich mit dem vermeintlich besseren Leben der anderen darstellten.

Brauchbare politische Lösungen sieht Rauch in den USA bisher nicht. Die Populisten von rechts wie links hätten dazu wenigstens Antworten parat, wenn auch die falschen, die konservative Mitte aber habe gar kein Rezept. Weder Trumps Handelskriege noch Bernie Sanders umfassende allgemeine Gesundheitsfürsorge – eine für US-Amerikaner radikale Idee – können seiner Ansicht nach das Problem der wachsenden Ungleichheit lösen. Sicher sei aber, dass die Polarisierung der USA mit steigender Ungleichheit wachse.

Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts der «New York Times» und anderer Quellen erstellt.

Jonathan Rauch

… ist Experte am Brookings Insitut, einem US-Think Tank. Er ist Autor von sechs Büchern und regelmässiger Autor für «The Atlantic», hat in einer Vielzahl von Magazinen publiziert und wurde dafür mehrmals ausgezeichnet. Sein jüngstes Buch «The Happiness Curve: Why Life Gets Better After 50» ist im Mai 2018 erschienen.

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